„Geschlechtscharaktere“ heute nicht mehr gängiges Wort, entstand im 18./19. Jahrhundert und beschreibt die unterschiedlichen Eigenschaften von Männern und Frauen.
„Geschlechtscharakterliche“ Aufteilung der Arbeit als Funktionselement der Gesellschaft
- „Geschlechtscharaktere“ haben sozio-ökonomischen Hintergrund
- Herrschendes Modell der Arbeitsteilung durch Sozialisationsmuster geprägt
- „Rollenkonzepte“ sind Arbeitsteilung zugeordnet und damit hat die Arbeitsteilung hohe soziale Akzeptanz und hohe Intensität (durch Sozialisation)
- geschichtliche Entwicklung ideologisch interpretiert, in vordiskursives Feld abgeschoben
–> komplementäre „Geschlechtscharaktere“ führen zu komplementären Aufgaben
These: Die „Geschlechtscharaktere“ sind nicht natürlich erwachsen
- in Lexika bis ins 20. Jahrhundert finden sich „Geschlechtscharaktere“.
- sind natürlich, da seit jeher Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
- Äußere Unterschiede werden auf innere, psychische Eigenschaften verlagert.
- „Geschlechtscharaktere“ als ein Mix aus Biologie, Bestimmung und Wesen.
–> Soll die „naturgegebenen“ Merkmale von Mann und Frau festlegen
Männliche „Charaktere“ verweisen auf gesellschaftliche Produktion, aktiv;Weibliche auf die private Reproduktion, passiv
–> Begriffspaar Aktivität-Passivität leitet sich vom Geschlechtsakt, Rational Emotional vom sozialen Betätigungsfeld ab
Auswertung diverser Lexika des 18.Jahrhunderts:
Weibliche „Charaktere“ Männliche „Charaktere“
Innen, Nähe, Häusliches Leben |
Außen, Weite, Öffentliches Leben |
Passivität: Schwäche, Hingebung, Bescheidenheit |
Aktivität: Energie, Kraft, Willenskraft, Tapferkeit |
Sein: abhängig, emsig, bewahrend, empfangend |
Tun: Selbstständig, strebend, wirksam, gebend |
Anpassung, Liebe, Güte, Selbstaufgabe |
Durchsetzungsvermögen, Gewalt |
Emotionalität: Gefühl, Empfindung, Verstehen, religiös |
Rationalität: Geist, Vernunft, Denken, Wissen, Urteil |
Tugend: Schamhaft, Keusch, Takt, Anmut, Schönheit |
Frauen definiert nach Fortpflanzungszweck; Männer nach Kulturzweck: vermeintlich wissenschaftlich fundiert.
These: „Geschlechtscharaktere“ als neues Orientierungsmuster im Wandel der Zeit
Die Menschen (Männer) brauchten wegen neuer Werte ebenso neue Maßstäbe. Somit entstanden „Geschlechtscharaktere“. Es war der Wechsel des theologischen zum naturwissenschaftlichen Weltbild. Zeitlich einzuordnen ist dies im Übergang in den Industriekapitalismus. Erst mit Trennung von Hausarbeit und Industriearbeit im Industriekapitalismus wurde der Mann Alleinverdiener.
Dadurch blieb die Frau zu Hause, wo sie für die Kindererziehung zuständig war. In der Gesellschaft war die Folge auch die praktische Ausbildung der Frau zu ihrer „Bestimmung als Gattin, Hausfrau und Mutter“. Der Mann wird der Ernährer und damit Vorstand der Familie. Die Trennung von Öffentlichem und Privatem Leben war vollzogen. Sie zog sich allmählich durch die ganze Gesellschaft und letztlich analog dazu zwischen die Geschlechter.
Die Ehe wurde aus Legitimationsgründen als Vertrag konzipiert.
These: „Geschlechtscharaktere“ haben einen Patriarchatstragenden Aspekt
- Führte zu Privilegien der Männer (ökonomische Abhängigkeit der Frau, „Mann hat das Sagen“)
- Natürlichkeit der Trennung von je her Gleichmachung unnatürlich
- Mensch = Mann; keine Rechte für Frauen
„..vielfache Ungleichheit zwischen dem Mann und der Frau, so große Verschiedenheit ihrer Lebensaufgaben und ihrer Kräfte, also auch ihrer Rechtsverhältnisse…“ Welcker 1815
- Bildung wurde Frauen versagt, da dies zum Schaden der Geburtsfähigkeit führen würde
- Rationalität war Männersache: Frauen erlernten emotionale Handlungen, die aus Männersicht ein „Phänomen“ waren
- Frauen passiv, daher zu Hause ; Männer aktiv, gehen in die Welt hinaus -> Ergänzung als Argumentationsmethode
- Ideologisch: Hart arbeitende Mann kommt nach Hause und wird von der Frau umsorgt. Hausarbeit entwertet, da es nicht bezahlt wird und „unsichtbar“ bleibt
- Emanzipation der Frau bedroht Familie und damit die Werte. Entrechtung der Frauen durch soziale Akzeptanz ermöglicht, da familiale Qualitäten erstrebenswert waren
- Da nur Mann und Frau zusammen eine harmonische, vollkommenen Einheit bilden, die alleine komplementär zueinander stehen, wird die Frau erst Frau wenn sie verheiratet ist.
Zusammenfassung des Textes von Karin Hausen: „Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben“, aus: Werner Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Neue Forschungen, Stuttgart 1976, Seiten 363-393.
Vielen Dank für diese Zusammenfassung!
Wir lesen den Text gerade in der Universität zum Thema „Soziologie der Liebe“ und das hat enorm geholfen sich die wichtigen Punkte nocheinmal verständlich und dabei knapp vor Augen zu führen.