Ich möchte … darauf hinweisen, dass sich etliche Aussagen Adornos auf interessante und bedeutsame Weise mit dem Problem der Ethik beim späten Foucault berühren.

Judith Butler

Die christliche Moral durchzieht die gesamte Kultur und ist Teil jedes Menschen in der Kultur. Nietzsche weist darauf hin, dass selbst die Atheisten nicht frei von der asketischen Moral sind. Das asketische Ideal verbindet sich mit der bereits erwähnten Pastoralmacht, hierauf möchte ich nur einleitend eingehen. Diese Macht entstammte dem Beichtstuhl, in dem sich der Priester die Sünden anhörte und die Absolution erteilte. Inzwischen hat sich die Pastoralmacht aus der Kirche heraus in die Gesellschaft übertragen.

„Die Verpflichtung zum Geständnis wird uns mittlerweise von derart vielen verschiedenen Punkten nahegelegt, sie ist uns so tief in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie uns gar nicht mehr als Wirkung einer Macht erscheint, die Zwang auf uns ausübt; im Gegenteil scheint es uns, als ob die Wahrheit im Geheimsten unseres Selbst keinen anderen ‚Anspruch’ hegt, als den, an den Tag zu treten ….“308

Macht, Sexualität und Patriarchat

Die Macht besitzt dabei derjenige, welcher nicht seine innersten Geheimnisse preisgibt, sondern derjenige, der lauscht, denn das Geständnis wird herausgefordert und soll befreiend wirken. Den Geständigen gefügig zu machen, ist die „List“ dieser Macht. Durch die Preisgabe ist der Geständige befreit vom geheimen Wissen und erkundet die Geheimnisse. Durch das Aussprechen erkennt er die „Wahrheit“ an. Infolgedessen kann das Individuum qua Scham genormt werden. Diese Technik hat sich beispielsweise auch im Gerichtssaal manifestiert.

„Es ist ein Imperativ errichtet worden, der fordert, nicht nur die gesetzeswidrigen Handlungen zu beichten, sondern aus seinem Begehren, aus seinem gesamten Begehren einen Diskurs zu machen.“309

Die Pastoralmacht ist in die Bio-Macht und in die Disziplinierung eingearbeitet worden und wirkt als Teil dieser allumfassenden Macht – auch in den Diskursen. Foucault erarbeitet dies vor allem aus den Diskursen zur Sexualität:
„Die Fortpflanzung, die Geburten – und Sterblichkeitsrate, das Gesundheitsniveau, die Lebensdauer, die Langlebigkeit mit allen ihren Variationsbedingungen wurden zum Gegenstand eingreifender Maßnahmen und regulierender Kontrollen: Bio-Politik der Bevölkerung.“310

Das sexuelle Begehren ist innerhalb des Diskurses zwar normal, aber auch normiert. Jede Abweichung muss korrigiert werden. Das Vorbild errichtet eine Zwangsheterosexualität im Rahmen eines Patriarchats.311 Die Normierung anhand dieses Bildes mit den entsprechenden Verboten handelt auch Adorno ab. Das Patriarchat hat für Adorno einen faschistischen Charakter. Genauso wie Juden werden auch die Frauen unterdrückt.312 Die Frauen werden als schwach konstruiert und sind letztlich Ergebnis einer Geschichte, die der herrschenden Vernunft und den patriarchalen Machtverhältnissen unserer Gesellschaft entspricht:
„Der Mann als Herrscher versagt der Frau die Ehre, sie zu individuieren. Die Einzelne ist gesellschaftlich Beispiel der Gattung, Vertreterin ihres Geschlechts und darum, als von der männlichen Logik ganz Erfaßte, steht sie für Natur, das Substratum nie endender Subsumtion in der Idee, nie endender Unterwerfung in der Wirklichkeit. Das Weib als vorgebliches Naturwesen ist Produkt der Geschichte, die es denaturiert. Der verzweifelte Vernichtungswille aber gegen alles, was die Lockung der Natur, des physiologisch, biologisch, national, sozial Unterlegenen verkörpert. […] Die Erklärung des Hasses gegen das Weib als die schwächere an geistiger und körperlicher Macht, die an ihrer Stirn das Siegel der Herrschaft trägt, ist zugleich die des Judenhasses.“313

Obwohl die Sozial- und Dekonstruktivisten der feministischen Theorien sich vornehmlich auf Foucault stützen, nehmen diese das Unterdrückungsregime des Patriarchats ganz ähnlich wie Adorno wahr.314 Dennoch wird er nur sehr selten aufgeführt, Foucault aber sehr häufig. Wie Foucault und Adorno sehen sie die Konstruktion von Weiblichkeit und Begehren als eine Machtdisposition, deren Durchsetzung der patriarchalen Gesellschaft geschuldet ist. Zuerst stand das Bild, so argumentiert Adorno, wonach dann die Frauen, als auch die Juden geprägt wurden.

Tiefer kann im Rahmen der  Arbeit auf die Thematik nicht eingegangen werden. Betont sei, dass diese Problematik ein zentrales Erkenntnisinteresse im Werk Foucaults315 berührt, aus dem er zahlreiche interessante Themen und Theoreme entwickelt. Außerdem reduziert Foucault seine Schriften nicht nur auf die Problematiken der Heterosexualität, sondern auch auf andere Formen sexueller Unterdrückung, wie die der Homosexuellen.

Foucault und das Patriarchat

Auch in diesem Forschungsfeld ist festzuhalten, dass Foucault viel spezieller auf einzelne Aspekte eingeht als Adorno, der sich mit einem Blick auf die Makro-Ebene zufrieden gibt.

„Der Versuch des Christentums, die Unterdrückung des Geschlechts ideologisch durch die Ehrfurcht vor dem Weibe zu kompensieren und so die Erinnerung ans Archaische zu veredeln anstatt bloß zu verdrängen, wird durch die Rancune gegen das erhöhte Weib und gegen die theoretisch emanzipierte Lust quittiert. Der Affekt, der zur Praxis der Unterdrückung paßt, ist Verachtung, nicht Verehrung, und stets hat in den christlichen Jahrhunderten hinter der Nächstenliebe der verbotene zwanghaft gewordene Haß gegen das Objekt gelauert, durch das die vergebliche Anstrengung stets wieder in Erinnerung.“316

Auch in der Perspektive zum Patriarchat sind zwischen Adorno und Foucault augenscheinliche Gemeinsamkeiten zu entdecken. Im Folgenden werde ich den Blick auf das Ganze, also auf die gesellschaftliche Ordnung richten.

Literaturnachweis: Patriarchat als Gesellschaftsform | Nietzsche, Adorno & Foucault

304 Schroer (2001): „Das Individuum der Gesellschaft“, S. 61.
305 Adorno (2003): „Minima Moralia“, S. 55.
306 Schroer (2001): „Das Individuum der Gesellschaft“, S. 90.
307 Foucault (1985): „Freiheit und Selbstsorge“, S. 41.
308 Foucault (1992): „Wille zum Wissen“, S. 77.
309 Foucault (1992): „Wille zum Wissen“, S. 27.
310 Ebd., S. 166.
311 Vgl. u. a. Judith Butler (1991): „Das Unbehagen der Geschlechter“. Mit ihren Vorstellung auf Foucault aufbauend, ist sie wegweisend für den Dekonstruktivismus in den feministischen Theorien.
312 Wiggershaus (1998): „Theodor W. Adorno“, S. 71.
313 Horkheimer/Adorno (2003): „Dialektik der Aufklärung“, S. 120.
314 Vgl. u. a. Regine Gildemeister oder Angelika Wetterer.
315 Vgl. Foucault „Sexualität und Wahrheit“ bestehend aus drei Bänden: „Der Wille zum Wissen“ (1999), „Der Gebrauch der Lüste“ (1989) und die „Sorge um sich“ (1997)
316 Horkheimer/Adorno (2003): „Dialektik der Aufklärung“, S. 119f.

Von admin

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